Die russische Republik Sacha, oder auch Jakutien, im nordöstlichen Sibirien ist Schauplatz einer Geschichte, die aus der Feder eines Jules Vernes stammen könnte.
Bedingt durch die Erderwärmung schmilzt der Permafrostboden. Was geologisch und klimatisch zu neuen Problemen führen kann, ist für jeden Historiker und Biologen wie ein offenes Fenster in die Vergangenheit. Der Boden gibt wieder frei, was er seit 4000 Jahren verschlossen hielt: die Überreste des Wollhaarmammuts.
Die Bewohner der Region um die Neusibirischen Inseln haben sich einer ungewöhnlichen Einnahmequelle zugewandt: Sie werden als Mammutjäger bezeichnet. Wie einst während des 19. Jahrhunderts die Goldsucher in Nordamerika, werden die Jäger bei ihren Ausgrabungen auf eine harte Probe gestellt. Auf den Inseln für mehrere Monate isoliert, sind sie extremen Bedingungen ausgesetzt.
Der Rausch der Mammutzähne ist hauptsächlich in China sehr verbreitet. Das Material wird hier kunstvoll verarbeitet und erzielt unerschwingliche Preise auf dem Markt.
Evgenia Arbugaeva hat eine Gruppe von Mammutjägern begleitet. Bis zu 18 Stunden am Tag durchforsten sie die eisige Tundra Sibiriens. Das Sichern eines Stoßzahnes kann bis zu 24 Stunden ununterbrochenen Grabens bedeuten. Die Fotografien zeigen Szenen mit surrealem Charakter. Wenn Vergangenheit und Gegenwart sich begegnen, entsteht eine gewisse Dramatik. Doch der Stoff, aus dem die Träume sind, hat seine Schattenseiten. Die Jagd fordert ihren Tribut, trennt Väter von ihren Familien, hinterlässt physische Narben und bringt die Beteiligten an ihre seelischen Grenzen. Die Spuren der Geschichte rechnen sich als Material in neuen Währungen. So sichern sie Existenzen und liefern Antworten auf wissenschaftliche Fragen. Das fossile Elfenbein gewinnt durch kunsthandwerkliches Geschick neuen Glanz. Doch die Wiederauferstehung der wollhaarigen Vorfahren wird die Gier nach den Zähnen der lebenden Artgenossen leider nicht drosseln können.
Text: A. Meyer / Clervaux - cité de l'image
Korrekturlesen: S. Cremer
Ausstellungsansicht
Abbildungen © Christof Weber (CDI 2020)