Mémoires
Man sagt dem fotografischen Medium nach, es könne verschlossene Türen öffnen und es vermöge das Unsichtbare sichtbar werden zu lassen. Die Kamera hat Chantal Vey Zugang verschafft zu Orten, die der Öffentlichkeit ansonsten verborgen sind. Die Lager und Depots der Museen erscheinen als unbestimmte, unwirkliche Orte. Die eigenartige Atmosphäre enthüllt sich vor dem Auge der Kamera: die Fotografie scheint durch ihr dokumentarisches und zugleich subjektives Potenzial ein besonderes Verhältnis gegenüber den Dingen zu unterhalten.
Objekte, unterschiedlich in Art und Größe, finden sich hier, von der Vergangenheit geprägt, einst erfunden, gefertigt, entdeckt, verschmäht, geliebt, oder gesammelt, behütet, geschätzt und dann vergessen? Die Zeit hat die Dinge entfremdet, sie aus ihrem Kontext herausgerissen und sie von ihrer Funktion befreit. Heil oder zerbrochen berichten sie stumm aus vergangenen Tagen und bilden das Gedächtnis jener Epochen. Sichtbar erscheinen sie nur dann im Museum, wenn sie innerhalb einer Ausstellung präsentiert werden. Im Lager sind sie fast nicht zu erkennen: sorgfältig verpackt, verhüllt, geschützt vor Blicken und Menschen. Sie stehen im Spannungsfeld zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit, Sinn und Absurdität. Chantal Vey lässt den Betrachter Zeuge werden, wie im Halbdunkel der Depots schlussendlich nicht nur die schützende Hülle der Verpackung, sondern vor allem das Spiel zwischen Halbschatten und Dunkelheit den Objekten eine neue Form verleiht und der Sammlung auf gespenstische Weise wieder Leben einhaucht.
Text: Annick Meyer
Die Bildreihe « Mémoires » entstand 2006 im Rahmen einer Auftragsarbeit der « Archives Municipales de Toulouse ».
Chantal Vey (*1970, Saint-Agrève) lebt und arbeitet in Belgien und Frankreich.
www.chantalvey.be
Ausstellungsansichten
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