Urban Household
Julia Willms Landschaftsaufnahmen zeigen Küstenzonen aus feinsten Sanddünen, an denen sich Wellen brechen und schaumig schlagen. Eine Dachluke besticht durch ihr grelles Licht, welches durch den Raum wandert und die Schatten dazu bringt, Mauern plastischer erscheinen zu lassen als sie sind. Und es sind keine Felswände, nur tragende Elemente, die das Dach halten, das alles überdeckt. Und Wäscheleinen - in goldenes Licht getaucht - unterteilen das Firmament in Streifen... Der Blick gleitet über die spiegelnde Fläche des Sees, an deren Grenze sich Bäume schmiegen, sowie kleine Häuser, die ihre Fenster nach dem gegenüberliegenden Ufer ausrichten, bis an den Rand der Badewanne...
Das Wort „urban" verspricht ein weites Feld an Bedeutungen, aber eigentlich immer in Verbindung mit der Stadt. Das Städtische wird gleichgestellt mit baulicher Gestaltung, kultureller Vielfalt: differenzierte Wohngebiete, mit dazugehörigen Subkulturen, versprechen dem Gesamtbild einen gewissen Vorsprung an Möglichkeiten der Entfaltung gegenüber seinem Gegenstück, dem Ländlichen.
Aber die menschliche Wahrnehmung ist ausschlaggebend, sie erklärt ein Umfeld für funktional, definiert die Urbanität als Lebensqualität. Der Mensch füllt den Raum aus, mit seinen Wünschen, Vorstellungen, Bedürfnissen... Aber was, wenn dem nicht so ist? In Julia Willms digitalen Collagen füllt offene Landschaft den geschlossenen Raum aus. Den Augen des Betrachters wird eine bestechende Idylle vorgegaukelt, die aber bei genauer Untersuchung immer weiter surreale Züge annimmt. Was der Erwartung nach natürlich sein sollte, ist künstlich, das Innen ist Außen, das Weite erscheint begrenzt, die Nähe liegt weit entfernt. Urbanität - bauliche Substanz, umschließt die Natur, still, leise, friedlich. Diese Verstrickung erscheint nicht störend: die Landschaft im Haus wird zur Gegenkultur des Gewohnten, der architektonische Rahmen zum Lebensraum einer anderen und doch familiären Welt.
Text: Annick Meyer
Abbildungen © Julia Willms