Unförmige, schillernde Ebenen zeugen von farbigem Reichtum. Das Auge badet in bunten Wellen, sind es in Wasser aufgelöste Farben? Die Bilder von Jessica Bauhaus haben etwas Fließendes. War es nicht Rimbaud, der die Sonne und das Meer vereinte, um die Ewigkeit zu finden?*

Die Fotografie scheint durch die lyrische Vision der Künstlerin wiedergeboren zu werden. Diese ebnet dem Medium den Weg zur Abstraktion, ohne es dabei von der konkreten Welt zu entfernen. Die Fotografin streift die Oberfläche der Dinge, um den flüchtigen Moment festzuhalten - indem sie ihn mithilfe der Farben sichtbar einfängt, aber auch, indem sie ihm seinen wechselhaften, wilden Charakter zugesteht: Es ist Bild gewordene Zeit.

Fotografie findet sich in vielen Bereichen des zeitgenössischen Lebens wieder. Mal spielt sie das Spiel der treuen Wiedergabe, dann wieder verfügt sie über die Macht, ein ganzes Universum neu zu erfinden. Ihre Botschaft ist in der Regel mehrdeutig. Die einfachste Art, ihr zu begegnen, besteht darin, nach ihrem Inhalt zu fragen. Nicht selten ist es der Verstand, der hier die Antwort liefert. Von dieser Warte aus betrachtet, lässt sich die Serie in einem Satz erklären: Jessica Backhaus hat die Spiegelungen der bunten Häuser von Burano auf der Wasseroberfläche wiedergegeben.

Der Titel der Bildreihe aber lädt dazu ein, weiterzudenken - beseelt vom Wunsch, die Welt zu sehen! Dabei handelt es sich um eine echte Herausforderung, die vom Betrachter verlangt, vorherige Kenntnisse und objektive Schlüsse außen vor zu lassen.

Als Kandinsky eine kreative Blockade erlebte, gab Gabriele Münter ihm zu verstehen, dass er in der Logik seiner Überlegungen feststeckte.

Die Spiegelungen sind eine optische Illusion, ein nicht greifbares Phänomen, das sich dennoch wissenschaftlich erklären lässt. Der Verstand begreift das zugrundeliegende Prinzip ohne weiteres, doch seine magische Wirkung droht ihm zu entgleiten. Um der Fotografie in ihrem nicht bildlichen Ausdruck zu folgen, müssen sich die Augen der Überlegenheit der Seele unterwerfen. Die Welt offenbart sich in ihrer irrationalen, ja lyrischen Pracht, wenn Punkt und Linie zu Fläche, Gemälde - oder eben Foto - werden!

Text: Annick Meyer
Übersetzung aus dem Französischen von Sabine Cremer

*L'Eternité, 1872

www.jessicabackhaus.net

Ausstellungsansichten

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