Ein Bühnenvorhang zeigt eine kleine, schwarze, dreieckige Öffnung in Bodennähe. An der Stelle des Schlitzes durchbrechen die Holzbretter die vom schweren Stoff gezogene Grenze, dieser fließenden und undurchsichtigen Trennwand. Die Dielen leiten den Blick weiter zu einem schattenhaften Hintergrund: "Die ganze Welt ist eine Bühne." (William Shakespeare)
Manchmal spaltet die Geschichte den Fluss der Zeit wie einen Vorhang in zwei verschiedene Teile. Die meisten räumlichen Kulissen überstehen diese Einschnitte, nehmen jedoch mit der Zeit und der Distanz unwirkliche Züge an. Sie zeichnen sich ab als unbestimmtes Konstrukt und sind anfällig für vieldeutige Auslegungen. Die hier überdauernde Kulturlandschaft nimmt ein fiktives, sogar surreales Bild an. Sie scheint sich der Realität entfremdet zu haben. Die Fotografie ist in der Lage solche Zwischenbereiche deutlich hervorzuheben und ermöglicht außerdem, ausgehend von gewöhnlichen Dingen, neue Blicke. Die Verantwortung der Darlegung liegt beim Betrachter.
Die Bilder von Tamas Dezso zeichnen sich durch einen fast malerischen Stil aus. Ihre Ausdruckskraft ist bei weitem nicht eindeutig. Der Fotograf visiert die nüchterne, aktuelle Dokumentation eines ländlichen Alltags, der sich langsam von seinem historischen und politischen Erbe zu erholen versucht. Zusätzlich verbindet Tamas Dezso Landschaftsaufnahmen mit Ausschnitten individueller Schicksale. Wenn diese Geschichten in ihrem gesamten Umfang sehr komplex sind, so bildet der isolierte Moment, der von einer Kamera eingefrorene Augenblick, eine Szenerie mit reicher, unbegrenzter Erzählkraft. Die assoziative Verschiebungen und der Spielraum zwischen Realität und Interpretationsfreiheit nimmt erstaunliche Züge an: manche Bilder wirken wie aus einem Märchen.
Text: Annick Meyer