Henrik Spohler reist für seine Arbeit "Der dritte Tag" etappenweise von Norddeutschland aus über die Niederlande nach Spanien und weiter bis in die USA zur mexikanischen Grenze. Der Fotograf aus Hamburg ist auf der Suche nach dem, was „Mensch" in den letzten Jahrzehnten in einer neuen Definition unter dem Begriff "Natur" vereint, verspricht, züchtet und vermarktet.
Und er wird fündig: eine monumentale Welt, oder besser noch ein Paralleluniversum, das über die Vorstellungskraft des einfachen, meist ahnungslosen Konsumenten hinauswächst. Letzterem sei, mit der Veröffentlichung der fotografischen Reihe von Spohler, endgültig vor Augen geführt, dass der alltägliche Weg in den Supermarkt gleichgestellt ist mit dem Aufsetzen von Scheuklappen, vergleichbar mit einer virtuellen Brille, die jedem Individuum eine Reise in eine vergangene Zeit ermöglicht. Untermalt von romantischen und nostalgischen Zügen herrscht der Glaube vor, eine Tomate sei nichts als eine Tomate.
Man hat gehört von riesigen, flächenbedeckenden Treibhäusern, in denen essbare Pflanzen gedeihen. Sollten die kultiviertechnischen Prinzipien der Landwirtschaft nicht proportional zur Bevölkerung mitwachsen? Somit wären weite, unendlich wirkende Treibhäuser eine logische Konsequenz und keine Fiktion. Nur wächst diese landwirtschaftliche Industrie nicht nur in ihren physischen Dimensionen, sondern sprengt auch die Grenzen, sowohl der konkreten Vorstellung, als auch der Vernunft.
Gärtner und Landwirte wurden ersetzt durch Ingenieure, Techniker, Computer, Scanner und Maschinen. Der Tag besteht ohne Gegenstück. Künstliches Licht ist die bessere Sonne. Errechnete Nährlösungen erklären Wasser zur ineffizienten Versorgungsquelle.
In Landschaften, die bis zum Horizont in Plastik eingepackt sind präsentiert sich die Fiktion nun als Realität. Pflanzliche Elemente sprießen aus blauem Untergrund; Tomaten wirken wie Saugnäpfe einer außerirdischen Kreatur, welche nur aus Fangarmen und Schläuchen zu bestehen scheint.
Wenn das Unwirkliche im Film und in der Literatur auch seinen Reiz hat so ist die Wahrnehmung dieser neuen Form von „Natur" berauschend. Faszinierend einerseits - sicherlich - anderseits unheimlich, weil unvermeidlich assoziiert mit Frankensteins Werk: in allen schwarzen und weißen Farben, die meisten aus dem Chemielabor.
Text: Annick Meyer
Ausstellungsansichten
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